Motivwanderungen der Münzen westgriechischer Poleis des 5. Jahrhunderts v. Chr.

Das Dissertationsvorhaben behandelt motivische Überschneidungen griechischer Münzen des 5. Jahrhunderts auf Sizilien und in Unteritalien.

Zwei Beobachtungen dienen als Ausgangspunkt: zum einen sind griechische Münzen der Klassik normalerweise mit einem einzigartigen Bild versehen, das eindeutig auf die prägende Stadt hinweist (Eulen für Athen, Pegasos für Korinth…). Die Herkunft einer Münze war so immer für den Betrachter auf den ersten Blick unmittelbar erkennbar. Münzen sind somit ein wichtiges Medium der Außendarstellung einer Stadt und dienen zudem im Inneren der Identifikation der Bürger mit dem Gemeinwesen. Zum anderen gibt es aber Fälle in der griechischen Numismatik, in denen Städte, die Motive anderer, bisweilen sogar verfeindeter Städte übernahmen und ihre eigenen aufgaben. Es soll der Frage nachgegangen werden, weswegen in verschiedenen griechischen Städten die üblichen Motive getilgt wurden, der Hinweis auf die Prägeherkunft also aufgegeben oder zumindest abgeschwächt wurde, und fremde Motive Verwendung fanden.

Das Phänomen ist sehr vielschichtig und die meisten Fälle der griechischen Kolonien auf Sizilien und im Unteritalien kommen nicht mit einer Erklärung aus – erzwungene und freiwillige Motivübernahmen sind denkbar. Darum soll versucht werden, eine umfassende Typologie aufzustellen, die alle Einzelfälle abdeckt. Die Hypothese ist, dass für solche Fälle drei Erklärungsmuster vorliegen:

a. eine politische Einflussnahme durch eine fremde Stadt, sei es durch eine Eroberung oder durch eine Allianz

b. eine durch wirtschaftliche Bedingungen geschaffene Ausbreitung, beispielsweise ein geschlossener Wirtschaftsraum, der sich durch eine gemeinsame Motivseite präsentiert

c. Imitation einer nachahmenswerten, ästhetisch reizvollen oder innovativen Vorlage, sei die Nachahmung zeitgenössisch oder bewusst archaistisch

Das Untersuchunsgebiet sollen die griechischen Kolonien Siziliens und Italiens im 5. Jahrhundert v. Chr. bilden, da hier die Materialgrundlage exzellent erschlossen ist. Die Forschung zu dieser Fragestellung aber ist in der griechischen Numismatik sehr schmal. Die wenigen Aufsätze, in denen das Phänomen untersucht wurde, behandeln zumeist die Möglichkeiten der präzisen Datierung durch eine Motivübernahme – der Gedanke dahinter ist, dass eine motivische Nähe zwischen zwei Münztypen auch auf eine chronologische Nähe verweisen muss. Eine Erklärung, wie es zur Motivwanderung kam, wird nur selten geboten – zudem beschränkt sich die Betrachtung in den meisten Fällen auf ein einzelnes Motiv und bietet keinen umfassenden Vergleich.

Mehrere Ziele sollen erreicht werden. So soll die Typologie aufgebaut werden, anhand der man auch Motivwanderungen aus anderen Epochen besser einschätzen kann. Hierfür ist eine Vernetzung der bislang publizierten Einzelstudien notwendig – gerade die griechische Numismatik ist stark auf Materialarbeiten bedacht und weniger auf das weitumspannende Bild. Und schlussendlich ist der Nutzen von Münzen und ihrer Motive als Quellengruppe für die Alte Geschichte zu zeigen.

 

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Marc Philipp Wahl M.A.
Institut für Numismatik und Geldgeschichte
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