VIN 12 - Veröffentlichungen des Instituts für Numismatik und Geldgeschichte 12

B. PROKISCH
Die Raitpfennige in den österreichschen Erbländern. Wien 2009.
Format 21 x 29,7 cm
Teil 1: 662 Seiten, Teil 2: 37 Falttafeln) - ca. 1600 Abbildungen
ISBN 978-3-9501987-1-3
€ 92,00

Die Methode des Rechnens “auf den Linien”, also mit Rechenpfennigen auf Rechentischen oder -brettern, stand seit der Antike in Gebrauch, doch erst ab dem 13. Jahrhundert gestaltete man die Rechenpfennige als münzähnliche, meist geprägte Metallstücke. Dieser Brauch verbreitete sich von Westeuropa (Frankreich, Niederlande) ausgehend auch nach dem Osten und seit dem 14. Jahrhundert wurden Rechenpfennige auch in die späteren österreichischen Erbländer importiert, zu einem besonders frühen Zeitpunkt nach Böhmen und Ungarn. Vorerst wurden die Rechenpfennige importiert, hauptsächlich aus Nürnberg, dem bedeutendsten Zentrum für die Herstellung von „Tand“ (Buntmetallarbeiten). Lediglich aus Böhmen und Ungarn sind lokale Stücke aus dem Mittelalter bekannt.

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts begann die österreichische Raitpfennigprägung, vorerst in Tirol und dann nach und nach in den meisten habsburgischen Territorien.

Rechenpfennige wurden nicht nur von der öffentlichen Hand und hier vor allem durch die „Rechenkammern“ emittiert, sondern auch von Privatpersonen, vor allem Exponenten der habsburgischen Berg- und Münzverwaltung.

Neben der Funktion als Rechenbehelfe waren die Rechenpfennige – ähnlich den Münzen – Massenkommunikationsmittel, die in Bildern und Legenden viele Informationen und teils interessante ikonographische Elemente transportierten, darunter beispielsweise eine vielgestaltige Auseinandersetzung mit dem Thema der Vanitas, das sich im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit besonderer Beliebtheit erfreute.

Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts fand das Rechnen mit arabischen Ziffern immer weitere Verbreitung und im selben Maß verschwand das Rechnen auf den Linien nach und nach, die Rechenpfennige wurden vor allem als Spielgeld verwendet.

Die Serien der österreichischen Rechenpfennige endeten im 3. Viertel des 17. Jahrhunderts und ab da standen ausschließlich Nürnberger Produkte in Gebrauch. Doch die Idee des Rechenpfennigs als eine Form der Kleinmedaille („Jeton“) überlebte und fand ihren Ausdruck im 19. Jahrhundert zum einen in einer Gruppe von rechenpfennigförmigen Medaillen und zum anderen in einer umfangreichen Produktion von erfundenen Stücken, die im Böhmen der 1850er Jahre hergestellt und als „alte“ Rechenpfennige an Sammler verkauft wurden. Neben der Täuschung der Käufer wollten die Fälscher den Aufstand Böhmens gegen die habsburgische Herrschaft in den Jahren 1619/20 illustrieren und verbanden dies mit einer aktuellen politischen Botschaft anti-österreichischer Stoßrichtung.

Neben dem Textteil enthält das Buch einen umfassenden Katalog aller Gepräge, der alle derzeit bekannten Stempel in Beschreibung und Abbildung zu dokumentieren trachtet und einen eigenen Teilband mit Stempelgraphen.